Neues Agrarsystem mit besonderem Clou

Viele Jahrhunderte orientierten sich Landwirte an Bauernregeln und versuchten damit bestimmte Wetterphänomene vorherzusagen. Drohender Frost, lange Trockenheit oder Ernteausfall durch Schädlinge – für jede landwirtschaftliche Gegebenheit gab es damals eine empirische Weisheit, die eine ungefähre Handlungshilfe vorgab. Diese Zeiten sind längst vorbei. Mit Methoden von gestern lassen sich die Herausforderungen von morgen nicht lösen. Die Agrarwirtschaft muss effizienter und nachhaltiger gestalten werden. Es bedarf innovativer Konzepte und cleverer Verfahren, um für die großen agrarwirtschaftlichen Aufgaben unserer Zeit zukunftsfähige Lösungen zu erarbeiten. Allen voran: der Klimawandel.

Durch den hohen Verbrauch fossiler Energieträger, Trinkwasser und mineralischer Rohstoffe, wie Phosphor und Kalium, verursachen aktuelle Agrarsysteme für Produktion, Düngeherstellung und Bewirtschaftung bis zu einem Drittel der globalen Treibhausgas-Emissionen und tragen damit maßgeblich zum Klimawandel bei. Doch die Agrarwirtschaft ist nicht nur Mitverursacher des Klimawandels, die Folgen der globalen Erwärmung wirken sich auch negativ auf die Ernteerträge aus. Temperaturanstieg, Wasserknappheit, extreme Wetterverhältnisse und die Ausbreitung von Krankheiten und Schädlingen setzen der Branche extrem zu. Auch die steigende Verknappung von Umweltressourcen, wie Luft, Wasser oder der biologischen Vielfalt, hat weitreichende Folgen für natürliche Betriebsmittel und Ökosysteme. Nicht zuletzt erfordern die wachsende Weltbevölkerung und eine zunehmende Urbanisierung eine deutliche Zunahme von Nahrungs- und Futtermitteln -. Dabei nehmen die Anforderungen der Konsumenten an Produktqualität, Ressourcenschonung und Regionalität immer weiter zu. Die Herausforderungen einer zukunftsfähigen Agrarwirtschaft könnten also vielfältiger und komplexer nicht sein.

Das BMBF-Verbundforschungsprojekt SUSKULT nimmt sich diesen Herausforderungen an und entwickelt ein neuartiges Agrarsystem, das eine Vielzahl der gegenwärtigen Anforderungen an eine zukunftsfähige Agrarwirtschaft vereint: SUSKULT ist regenerativ, lokal, kreislaufgeführt, knüpft an den derzeitigen gesellschaftlichen Ansprüchen an und trägt zum biobasierten Wandel Deutschlands bei.
Unter der Koordination des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT entwickeln 15 Partner aus Forschung und Praxis ein auf Hydroponik basierendes innovatives Nahrungsmittelproduktionssystem, bei dem die Pflanzen im Rahmen einer Indoor-Kultivierung boden- bzw. erdelos unter Einsatz mineralischer Nährstofflösungen wachsen und gedeihen. Dieses System ermöglicht eine exakte Steuerung der Wasser- und Nährstoffversorgung von gartenbaulichen Kulturen.
Der Clou: Die dafür benötigten Ressourcen Kohlenstoffdioxid, Phosphor, Kalium und Stickstoff sowie Wärme und Wasser bezieht »SUSKULT« aus einer Kläranlage!
Was zunächst etwas abwegig erscheinen mag, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als geniale Idee und einzig logische und vor allem nachhaltige und biobasierte Lösung, denn: Alle für ein erfolgreiches Pflanzenwachstum benötigten Ressourcen sind auf Kläranlagen zu finden. Ein weiterer Vorteil von Kläranlagen ist die mittlerweile zentrale Lage der heutigen Abwasserbehandlungsanlagen. Früher noch außerhalb der Stadtgrenzen angesiedelt, befinden sich die Anlagen durch das Wachstum der Städte jetzt meist im Herzen des urbanen Lebens und ermöglichen damit einen lokalen Agrarbetrieb.

Das Besondere an SUSKULT ist die Methodik im Forschungsverbund: Zwar wollen die Partner des Verbundvorhabens ein Agrarsystem der Zukunft unter Berücksichtigung des derzeitigen Stands von Wissenschaft und Technik entwickeln, um das System jedoch langfristig erfolgreich zu gestalten, müssen schon jetzt Rückschlüsse auf künftige Entwicklungen (zum Beispiel mögliche Änderungen der Agrarwirtschaft oder des Verbraucherverhaltens) miteinbezogen werden.
Die Vision des Projekts sieht vor, dass im Jahr 2050 keine Kläranlage mehr »nur« die Aufbereitung der Abwässer übernimmt. In den Innenstädten managen dann sogenannte »NEWtrient®-Center« sämtliche Nährstoffströme und sind nachhaltige und verlässliche Ressourcenlieferanten für gartenbauliche Intensivsysteme. Der Konsument von Nahrungsmitteln wird so gleichzeitig zum Produzenten und Händler seiner ureigensten Nährstoffe.

Damit diese Vision bald Realität werden kann, entwickeln die Projektpartner Bausteine und Schnittstellen, um den Kläranlagen-Output direkt in qualitativ hochwertige, pflanzenverfügbare und unbedenkliche Ressourcen zur Nutzung in den Agrarsystemen zu transformieren.
In den ersten drei Jahren des Projekts wird der Grundstock für das neuartige Agrarsystem gelegt und möglichst viele Stakeholder in die Entwicklung mit involviert. Anschließend wird eine Demonstrationsanlage auf dem Gelände des Klärwerks Emschermündung an der Stadtgrenze zwischen Dinslaken, Oberhausen und Duisburg aufgebaut.
Als übergeordnetes Ziel stellt SUSKULT die Weichen für eine urbane kreislaufbasierte Agrarproduktion als Teil einer zirkulären Ökonomie.

 

Das Projekt »SUSKULT – Entwicklung eines nachhaltigen Kultivierungssystems für Nahrungsmittel resilienter Metropolregionen« (FKZ 031B0728) wird im Rahmen der Fördermaßnahme »Agrarsysteme der Zukunft« im Rahmen der »Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030« der Bundesregierung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Teilprojekt 1 NEWtrient®-Center

Unter der Leitung der TU Kaiserslautern sieht das Teilprojekt 1 die Umstrukturierung gegenwärtiger Kläranlagen von einer reinen Abwasserbehandlungsanlage hin zu einem Ressourcenlieferanten vor. Hierzu werden etwa Synergien und Ausschlusskriterien für die Integration des neuen Systems in Kläranlagen eruiert.

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Teilprojekt 2 NEWtrient®-Aufbereitungssystem

Im Teilprojekt 2 werden unter der Leitung von Fraunhofer UMSICHT Technologien analysiert und entwickelt, die eine Rückgewinnung der Ressourcen Wasser, Stickstoff, Phosphor, Kalium, CO2 und Wärme ermöglichen. Diese technologischen Konzepte werden dann zu Prozessketten optimiert. Ziel: Ressourcen, die unter anderem frei von Keimen sind.

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Teilprojekt 3 Nahrungsmittelproduktion

Die Leitung des Teilprojekts 3 obliegt der Hochschule Osnabrück. Mittels verschiedener Abhängigkeitsanalysen und der Erarbeitung umweltrelevanter Anforderungsprofile für das Nährstoffmanagement soll eine sichere, effiziente und gezielte Kultivierung von Gemüsepflanzen auf Basis hydroponischer Systeme realisiert werden.

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Teilprojekt 4 Umfeld- und Systemanalyse

Im Teilprojekt 4 treffen Systemwissen, Zielwissen und Transformationswissen aufeinander.
Unter der Leitung der Justus-Liebig-Universität Gießen werden die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der technologischen Innovationsentwicklung von SUSKULT analysiert sowie Transformationsbarrieren und zugleich Chancen eruiert.

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